Wo bin ich hier nur hingeraten? Zugegeben, die Tanzbereitschaft liegt mit 99% (1% Thekenpersonal) doch recht hoch... aber was ist das, das da "tanzt"? Statt wohlgeformter weiblicher Rundungen, die sich rhythmisch im Takt wiegen, seh ich nur in bauchfreie Tops gehüllte konturlose Wesen mit gewissen Ähnlichkeiten zu Baustoffen, die auf einer Frequenz irgendwo jenseits der Sehschärfe vibrieren. Getrunken hab ich zwar nix, aber ob ich noch fahren kann, ist dennoch zweifelhaft. Früher kannte ich diesen Effekt nur von Stroboskopen...
Standortwechsel. Ich hab dem Mädel nebenan, das die nicht vorhandene Hüfte wackeln liess wie ein Kolibri auf Speed seine Flügel, nicht mehr schmerzfrei zusehen können. Aber ich bin sicher, das gibt sich von alleine: Ist ein Skelett erstmal über 18 würden bei derartigen Bewegungen Wirbelsäule und Becken spontan die Auflösung ihrer Beziehung bekanntgeben. Zu allem Überfluss klebte auch noch ihr Lebensabschnittsgefährte an ihrem Hintern und versuchte die Bewegungen mitzumachen, wohl weil er das mal im Fernsehen gesehen hat und es dort als erotisch bezeichnet wurde. Erotisch wärs allerdings nur dann, wenn er nicht auf einer völlig anderen Frequenz und noch dazu annähernd gegenphasig vor sich hinspasten würd, wenn er's geniessen könnt und nicht diesen gehetzten, angestrengten Ausdruck im Gesicht hätte, und wenn man ihr Bewegungspensum dieses Abends auf die nächsten ein zwei Jahre verteilen würd. Aber womöglich ist das nur das Alter, das aus mir spricht.
Ah ja, interessant. Hier drüben darf ich also die 16jährige Blondine dabei beobachten, wie sie versucht den mittzwanziger Punk rumzukriegen, indem sie ihn erst betrunken gemacht hat, und jetzt andauernd zufällig irgendwelche Körperteile von ihm begrabbelt. Vor ner halben Stunde hat er sich noch gewehrt, aber anscheinend hatte sie genug Geld dabei.
Endlich spielt die Band, auf die ich gewartet hab. Endlich kann ich auch rumspacken, wenn auch in Zeitlupe. Dazu gehen wir nach vorn, bevor ich in diesem Oszillationstempel auch noch mein Taktgefühl einbüsse. Und siehe da, hier vorne sind die Menschen zwar nur unwesentlich älter, aber immerhin im Stande den Takt der Musik von dem ihrer Synapsen zu unterscheiden. Die Alterskurve ist wohl antigauss. Ich bin doch kein Alien.
Die letzte Band ist dann wieder nicht so meins, also nochmal zur Theke. Der Punk liegt inzwischen mit dem Kopf auf dem Tisch, und der blonde Traum aller Pubertierenden probiert die verschiedenen Möglichkeiten durch, sich möglichst anregend über ihn zu drapieren. Der Lebensgefährte des Oszillators sieht aus, als hätte er gerade den ersten Herzinfarkt seines jungen Lebens, und die holde Weiblichkeit selbst hat immer noch nicht verstanden, dass die Hüfte nicht schon unterhalb der Schulterblätter beginnt. Ich hoff nur, das alles ist kein Generationenkonflikt, sondern wächst sich irgendwann aus. Sonst kann ich meine Träumereien, auch jenseits der 35 noch musikalischen Veranstaltungen abseits der Oper beizuwohnen, wohl langsam als illusorisch betrachten.
Aber die Band war phantastisch. Und genug zu lästern gab es auch. Ausserdem fühl ich mich plötzlich wieder wohler mit der Anzahl meiner Jahresringe.